Wird ein Grundstück teilentgeltlich (z. B. im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge) innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 EStG übertragen, führt dies nach bisheriger Sichtweise hinsichtlich des entgeltlichen Teils zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft (sog. Trennungstheorie).

Hintergrund: Private Veräußerungsgeschäfte im Zusammenhang mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Besteuerung im Sinne des § 23 EStG. Ausgenommen hiervon sind Grundstücke, die im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

Das Finanzgericht Niedersachsen (Urteil vom 29.05.2024, Az.: 3 K 36/24) hat nun aber entschieden, dass § 23 EStG bei einer teilentgeltlichen Übertragung unterhalb der historischen Anschaffungskosten keine Anwendung findet. Das Gericht verweist hierzu u. a. auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach die gänzlich unentgeltliche Übertragung einer Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllt – und zwar selbst dann nicht, wenn die auf diese Weise begünstigten Kinder die Immobilie alsbald weiter veräußern. Hieraus wird gefolgert, dass auch die teilentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllt. Zumindest bei einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung unterhalb der historischen Anschaffungskosten realisiere der Schenker keinen tatsächlichen Wertzuwachs. Ein nach § 23 EStG zu besteuernder Gewinn könne nicht entstehen, da Vermögensverschiebungen im Privatvermögen keiner Besteuerung unterworfen werden. Ein Wertzuwachs erfolge nur beim Beschenkten, der damit den Regularien des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge) unterliegt.

Die Finanzverwaltung hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt. Man darf gespannt sein, wie der Bundesfinanzhofs entscheidet. In geeigneten Fällen sollten Steuerpflichtige ihre Steuerbescheide im Einspruchsweg offenhalten und auf die gesetzliche Verfahrensruhe verweisen.